top of page

Begriffserklärung: Abgewandter Blick (Walauge)

Kurz Definition:

Ein häufiges Beschwichtigungssignal, bei dem der Hund den Kopf abwendet, aber das Weiße seiner Augen sichtbar bleibt. Es signalisiert Unbehagen und den Wunsch, Konflikte zu vermeiden.

Lang-Beschreibung:

Einleitung: Die Bedeutung des Walauges im Kontext des Hundeverhaltens

Das Verhalten von Hunden ist tief verwurzelt in einer Vielzahl von Signalen, die sie untereinander und gegenüber Menschen verwenden, um ihre Emotionen, Absichten und Bedürfnisse auszudrücken. Eines der subtileren, aber dennoch äußerst wichtigen Signale ist der sogenannte „abgewandte Blick“ oder das „Walauge“. Während dies für unerfahrene Hundebesitzer vielleicht unscheinbar erscheinen mag, spielt es eine zentrale Rolle im Kommunikationsverhalten von Hunden, insbesondere wenn es darum geht, Unbehagen oder den Wunsch nach Deeskalation zu signalisieren.

Der abgewandte Blick tritt auf, wenn ein Hund den Kopf oder die Schnauze von einem Reiz, wie einem anderen Hund oder einer Person, wegdreht, jedoch das Weiße des Auges – das Sclera – sichtbar bleibt. Daher der Name "Walauge", da dieser Blick dem eines Wals ähnelt, dessen Auge oft seitlich sichtbar bleibt, während er sich im Wasser bewegt. Dieses Signal gehört zur Gruppe der sogenannten Beschwichtigungssignale und ist in vielen Situationen des Hundeverhaltens von entscheidender Bedeutung.


Ursprung und Funktion des Walauges: Evolutionäre Wurzeln

Um das Walauge besser zu verstehen, ist es hilfreich, sich die evolutionäre Entwicklung von Hunden und ihren Vorfahren anzusehen. In der Natur kommt es selten vor, dass Tiere direkte Konfrontationen suchen, da diese oft mit hohen Kosten in Form von Verletzungen oder sogar dem Tod einhergehen. Stattdessen haben sich über Millionen von Jahren nonverbale Kommunikationsformen entwickelt, die es Tieren ermöglichen, Konflikte zu vermeiden. Das Walauge ist ein Beispiel für ein solches Signal.

Im Wolfsrudel, von dem der Hund abstammt, gibt es klare Hierarchien und soziale Strukturen. Ein Wolf, der Unbehagen oder Unterwürfigkeit gegenüber einem ranghöheren Tier ausdrücken möchte, wird versuchen, durch Körpersprache zu deeskalieren. Der abgewandte Blick ist eines dieser Signale, das darauf abzielt, zu zeigen, dass der Hund keine Bedrohung darstellt und keine Eskalation wünscht.


Das Walauge als Beschwichtigungssignal

In der modernen Hundeverhaltensforschung hat die norwegische Trainerin Turid Rugaas das Konzept der Beschwichtigungssignale bekannt gemacht. Diese Signale sind Verhaltensweisen, die Hunde einsetzen, um Spannungen zu reduzieren, zu beruhigen oder aggressive Eskalationen zu verhindern. Das Walauge gehört in diese Kategorie und wird oft in Situationen beobachtet, in denen der Hund sich unwohl fühlt, sei es durch eine bedrohliche Körperhaltung eines anderen Hundes, durch die Annäherung eines Menschen oder in beängstigenden Umgebungen.

Ein Beispiel für die Anwendung des Walauges könnte ein Hund sein, der sich von einem dominanten Hund bedrängt fühlt. Anstatt die Zähne zu fletschen oder zu knurren, was eine Eskalation der Situation bedeuten könnte, wendet der Hund den Blick ab und zeigt das Weiße seiner Augen. Dieses Verhalten soll dem anderen Hund signalisieren, dass er keine Konfrontation wünscht. In vielen Fällen wird dieses Signal von dem anderen Hund wahrgenommen und akzeptiert, wodurch die Situation entschärft wird.


Das Walauge in der Mensch-Hund-Kommunikation

Auch im Zusammenleben mit Menschen spielt das Walauge eine entscheidende Rolle. Hunde zeigen dieses Signal häufig, wenn sie sich in einer Situation unsicher oder unwohl fühlen, sei es bei Tierarztbesuchen, während des Trainings oder in beengten Räumen mit vielen Menschen. Hunde, die häufig gestresst oder ängstlich sind, neigen dazu, dieses Verhalten öfter zu zeigen.

Besonders wichtig ist, dass Hundebesitzer und Trainer das Walauge als frühzeitiges Warnsignal erkennen. Ein Hund, der den Kopf abwendet und das Weiße seiner Augen zeigt, versucht möglicherweise, eine Situation zu deeskalieren, bevor er gezwungen ist, aggressivere Maßnahmen zu ergreifen. Ignoriert der Mensch dieses Signal, kann dies dazu führen, dass der Hund seine Kommunikationsversuche verstärkt und möglicherweise aggressiver wird, wenn er sich bedroht fühlt.


Studien und wissenschaftliche Untersuchungen zum Walauge

Es gibt mehrere wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit Beschwichtigungssignalen bei Hunden beschäftigen, darunter auch das Walauge. Eine Studie von Mariti et al. (2017) untersuchte nonverbale Kommunikation bei Hunden und stellte fest, dass Hunde in stressigen Situationen häufig subtile Signale wie das Walauge verwenden, um ihr Unbehagen auszudrücken. Diese Forschung unterstreicht die Bedeutung der nonverbalen Kommunikation bei Hunden und hebt hervor, dass es entscheidend ist, solche Signale frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren.

Eine andere bedeutende Untersuchung wurde von Lakatos, G. et al. (2011) durchgeführt, die sich mit der sozialen Kommunikation zwischen Hunden und Menschen beschäftigte. Diese Studie zeigte, dass Hunde ihre Körpersprache, einschließlich des Walauges, anpassen, um mit Menschen zu kommunizieren und Missverständnisse zu vermeiden. Sie betonte die Bedeutung des gegenseitigen Verständnisses zwischen Hund und Mensch, insbesondere bei der Vermeidung von stressbedingtem Verhalten.

Für Hundetrainer und Besitzer ist es daher unerlässlich, sich mit den Signalen, die Hunde im Alltag senden, vertraut zu machen, um Konflikte zu vermeiden und das Wohlbefinden des Hundes zu fördern. Ein tiefes Verständnis des Walauges kann nicht nur helfen, stressige Situationen zu entschärfen, sondern auch die Bindung zwischen Hund und Mensch stärken.


Hundetraining und Umgang mit dem Walauge

Wie sollten Trainer und Hundebesitzer reagieren, wenn sie bemerken, dass ein Hund das Walauge zeigt? Zunächst ist es wichtig, das Signal als das zu verstehen, was es ist: ein Versuch des Hundes, Spannungen abzubauen und eine Eskalation zu vermeiden. Ein Hund, der das Walauge zeigt, braucht in der Regel mehr Raum oder eine Beruhigung der Situation. Wenn ein Hund während eines Trainings das Walauge zeigt, könnte dies ein Zeichen dafür sein, dass er sich überfordert fühlt. In solchen Fällen ist es ratsam, die Intensität des Trainings zu reduzieren, dem Hund eine Pause zu gönnen oder ihn zu belohnen, wenn er ruhig bleibt.

Darüber hinaus kann das Verständnis des Walauges helfen, das Training an die Bedürfnisse des Hundes anzupassen. Hunde, die in stressigen Situationen dieses Signal häufig zeigen, profitieren möglicherweise von einem Training, das auf die Förderung von Selbstvertrauen abzielt. Hier können positive Verstärkungsmethoden eingesetzt werden, um dem Hund zu zeigen, dass er sich sicher fühlen kann und dass keine Gefahr besteht.


Fazit: Das Walauge als Schlüssel zur Hundekommunikation

Der abgewandte Blick oder das Walauge ist ein essenzielles Signal im Repertoire der Hundekommunikation. Es ermöglicht Hunden, Spannungen zu deeskalieren und Konflikten vorzubeugen, indem sie ihre Körpersprache nutzen, um Unterwerfung oder Unbehagen auszudrücken. Hundebesitzer und Trainer, die dieses Signal frühzeitig erkennen und richtig darauf reagieren, können nicht nur stressige Situationen vermeiden, sondern auch die Beziehung zu ihren Hunden stärken.


Für weitere Lektüre und Studien über die nonverbale Kommunikation bei Hunden und das Walauge empfehle ich die folgenden Ressourcen:


Das Verständnis und die Anwendung dieses Wissens ist ein entscheidender Schritt, um das Verhalten von Hunden besser zu interpretieren und ihnen zu helfen, sich in unserer menschlichen Welt sicherer zu fühlen.


Gerne helfe ich dir dieses Verständnis in der Praxis persönlich vor Ort, beim Online Hundetraining oder der Online Verhaltensberatung aufzubauen.


Noch mehr Informationen zum Thema Hundeverhalten findest du in meinem Blog: Wuff und Wissen - Bis bald,


Deine Caro

bottom of page